Heute Morgen las ich beim Frühstück Alexander Osangs Habeck-Reportage, es kam mir vor wie eine Zeitreise auch durch meine Geschichte – zurück in das Jahr 2009. Nach dem Tod meines französischen Schwagers hatte ich meine Wohnung in Berlin an einen amerikanischen Gastprofessor untervermietet und war bei den zwei Hunden im Weingut am Rand der Cevennen gelandet. Am Tag von Barack Obamas...
Erinnerung an ein Desaster
Bilder aus Washington zeigten etwas Unfassbares: ein von Donald J. Trump angefeuerter Mob stürmte das Kapitol. Ein Proud Boy fläzte sich auf dem Platz des Vizepräsidenten im Senat, ein anderer durchsuchte das Büro von Nancy Pelosi. Der Präsident schaute bei seinem Lieblingssender zu. Erst nach scharfer Intervention durch Joseph R. Biden Jr. rief er seine Fans dazu auf, nach Hause zu gehen. Er...
Über den paranoiden Stil der amerikanischen Politik
Diesen Text schrieb ich Ende 2016, wenige Wochen vor der ersten Amtseinführung Donald Trumps für den Freitag . Die damalige Aktualität holt uns acht Jahre später wieder ein. Ich habe den Text für den Blog leicht redigiert.
© by Opposition
Vorbemerkung: Im Wahlkampf 2009 habe ich für das Handelsblatt eine wöchentliche Wahlkolumne geschrieben. Kürzlich ist mein damaliger Redakteur Martin Tofern gestorben. In dankbarer Erinnerung an diesen feinen und subtilen Ermöglicher werde ich in den kommenden Tagen diese kleine Reihe hier wieder zugänglich machen. Wenn der Mann redet, lässt er gern offen, ob da noch die Großmutter oder schon der...
Schläfer im Aufstand – Über den Roman DIE EIGNUNG von Michael Sollorz
Vorbemerkung: Ich werde hier gelegentlich an Beiträge von mir erinnern, die sich gut gehalten haben. Heute fang ich damit an, indem ich an meine Besprechung des Romans „Die Eignung“ von Michael Sollorz in dem Magazin front im Herbst 2008 erinnere. „Wir besuchen einen Toten. Einverstanden? Erbitte kurze Bestätigung.“ Michael Sollorz liebt es knapp und klar. Von der U-Bahn-Station in...
Der Chef braucht ein Wunder – ne touche pas à mon potus!
Was hier nun folgt, ist so abwegig, dass es nur als Produkt einer schrägen Phantasie durchgehen wird. Keine Verschwörungstheorie, keine finsteren Machinationen, nur der Versuch, aus den Ungereimtheiten der letzten Tage eine sehr zweifelhafte Story zu fabrizieren.
Illusionen als Kapital
„Ein Gespenst geht um in Europa.“
So klang einst der erste Satz eines Manifests, das es noch in sich hatte. Nun sitzt vor der Bundespressekonferenz eine Dame, die eine Bewegung gestrickt hat, die – bis auf Weiteres – unter ihrem Namen die politische Arena betritt.
Davongekommen
Müde, auch leicht verkatert, war er aus Westafrika zurück gekommen, sein jüngster Kunde schrie nach ihm. Wer wollte es ihm verdenken, dass er der Bitte folgte? Der Macron werde sich noch wundern, was ihm in Niger blüht, das ist er ihm schuldig. Nun also wieder Moskau, aber was hält ihn da noch, ab nach Sankt Petersburg, immer noch seine Borghata des Elends, das er hinter sich weiß, aber nie...
Pulled chicken
Der Tag war und ist noch immer vom wechselwütigen Wetter auf eine Weise überschattet oder grell erleuchtet, dass jeder Move sich als fatal herausstellt. Dennoch sind der Hund und ich um 17 Uhr in den Park gegangen und haben uns von den dräuenden Wolken nicht aufhalten lassen. Als ihr Getue bedrohlicher wurde, retteten wir uns unter eine Grill-Plane der Brlo Craft Brauerei, wo an diesem späten...
Verkürzt genesen
Die Pandemie und ihr Management führen zu sprachlichen Übergriffen sonderzahl. Die neueste Verirrung ist der verkürzte Genesenenstatus. Wollten wir das ohne Vokale schreiben, wäre es der vrkrzt Gnsnnstts. Unschön auch so.
Aus dem Leben eines Stadthundes
Ob meine Eltern wirklich wussten, was sie taten, als sie mich zeugten, wie soll ich das wissen? Sie haben sich geliebt ohne jede Idee von Schuldigkeit. Sie wussten, was sie taten. So kommen in mir zwei Welten zusammen: die westerwäldische, in der die Gefährten meines Papas ihren politischen Willen in dem Wort „daswommerjaauch“ zusammenfassen, was mich immer auf die Frage bringt, was vor dem...
Impfmüde
Das Wort ist so jung, dass viele einschlägige Verzeichnisse es noch gar nicht kennen. Bei Google Ngram steigt die Trefferquote erst nach den Nuller-Jahren steil an, offenbar gab es nach der Schweinegrippe-Saison 2009/10 einen ersten kleinen Impfmüdigkeitspeak mitohne Pieks (sorry).
Rückkehr zur Normalität?
Sie wird immer häufiger beschworen, als sei sie ein Ziel, nach dem wir Sehnsucht hätten. Für die Rückkehr zur Normalität gibt es keine Fahrkarten, keine Patentrezepte, keinen Wegweiser. Wer behauptet, den Weg oder das Ziel zu kennen, ist ein Scharlatan. Wer sie verspricht, verspricht sich. Seit wann gibt es Zeitreisen, und dann auch noch zurück? Was schließlich macht einen hinter uns liegenden...
Zur Phänomenologie des Abwegigen
Heute ist mir durch einen Hinweis auf Twitter etwas aufgefallen. Seit geraumer Zeit, im Grunde seit Beginn der Pandemie, habe ich immer fassungsloser den publizistischen Weg eines früheren Kollegen und seines Begleittrosses verfolgt, der in ungefähr allen Fragen, die er für strittig erklärt, sich bevorzugt auf die Seite von abwegigen Experten geschlagen hat. Uwe Sinha zog eine Parallele zu einem...
Verschärfen
Aus Gründen, die nicht kulinarischer Natur sind, feiert dieses Verb etwas zu dauerhaft Hochkonjunktur. Hier folgen einige Beispiele aus der politischen Prosa, was sich verschärft oder was verschärft werden muss. Aus der Ferne erklingt in dem Wort das Handwerk des Scharfrichters, der seine Klingen einsatzbereit halten und entsprechend pflegen muss. Wer etwas verschärfen will, steht – wie...
Es geht um die Zeugen
Das Photo ist ein erstaunliches Dokument. Es geht in die Geschichte ein nicht als Inszenierung eines historischen Augenblicks in der Präsidentschaft Barack Obamas, sondern als ein Dokument einer politischen Ikonographie, die den Oberbefehlshaber an den Rand rückt, während seine einstige Konkurrentin im Vordergrund ein Bild des Erschreckens abgibt. Die Bildachse zwischen Obama und Clinton ist es...
Richtig und wichtig
Kaum etwas finde ich so grauenvoll und nichtssagend wie diese Formulierung, die seit geraumer Zeit Bedeutung beansprucht, aber über die Autosuggestion nicht hinauskommt. Aber wer kann sich schon selbst hypnotisieren? Was in den letzten Monaten alles als „wichtig und richtig“ galt:
Streiten
Hochschulen in die Politik einbringen
Selbsttests
Apotheker
Spiel mit Wörtern
Im frühen Jahr 2018 erreichte mich aus heiterstem Himmel eine Anfrage des Dudenverlags. Ob ich mir vorstellen könnte, zu Wörtern aus vier Jahrzehnten vier Büchlein zu schreiben. Klar konnte ich mir das vorstellen. Es juckte mir quasi schon in den Fingern. Auf die Dauer ist das Schreiben von Talkshowkritiken nicht abendfüllend. Schnell einigten wir uns über einen schönen Vertragsrahmen, nachdem...
Nun kommt etwas Neues ins Spiel
In dieser Woche beginne ich mit einem Projekt, über das ich schon nachgedacht haben könnte, als es all das Gedöns von Facebook, Twitter, Instagram und Tinderätätä noch nicht gegeben hat. Damals hatte ich über Weihnachten mit meiner kleinen Schwester und einem guten Freund erst Gans gegessen, dann einen langen Spaziergang am Niederrhein gemacht. Danach lieferte ich drei Probetexte nach München und...
Hoffnung auf den Autopilot
Sitzen eine Ethikerin, ein Ministerpräsident, ein Epidemiologe, ein Virologe und die Pandemiebeauftragte eines Landkreises zusammen, dann befinden sie sich gewiss in einer Talkshow, an diesem Abend bei Maybrit Illner.