Nun ist es bald wieder so weit, dass Hündin Lola die Rüden in einem weiten Radius um das Gleisdreieck in Aufregung versetzt. Auf dem Weg dorthin intensiviert sie nicht nur die eigene Riecharbeit, wie die Rutschkys es in dem Buch über den Stadthund erzählten, auch muss sie alle paar Meter in ihrem eigenen nasengebundenen Netzwerk flüssige Telegramme absetzen, die über ihren hormonellen Status Auskunft geben. Weiterlesen
Bravo, Corgi!
Gestern mit Lola unterwegs zum Hundeausauslauf. Da saß ein italienischer Mann und parlarte in sein Handy, bis sein hübscher Corgi-Rüde die Nase davon voll hatte, gemessenen Schrittes sich von seinem Herrchen entfernte und zielsicher die tiefe Riesenpfütze neben der Mülltonne ansteuerte. Dortselbst angekommen tappte der Corgi einmal durch die Pfütze hin und her, um herauszufinden, wo ihr tiefster Punkt sei. Dort wieder hingekommen wälzte sich der kluge Hund mehrmals hin und her, so dass sein feines Corgifell von Kopf bis Fuß und auf Bauch und Rücken (die Rute ebenso) komplett mit dem schönen Schlammgemisch bedeckt war. Sein Herrchen schrie von seinem Telefonfelsen so wunderbar vergeblich in Richtung des Hundes. Dabei hatte er doch selbst die vollendete Tatsache provoziert und so erhalten, was er verdiente.
Bravo, Corgi!
Aus dem Leben eines Stadthundes
Ob meine Eltern wirklich wussten, was sie taten, als sie mich zeugten, wie soll ich das wissen? Sie haben sich geliebt ohne jede Idee von Schuldigkeit. Sie wussten, was sie taten. So kommen in mir zwei Welten zusammen: die westerwäldische, in der die Gefährten meines Papas ihren politischen Willen in dem Wort „daswommerjaauch“ zusammenfassen, was mich immer auf die Frage bringt, was vor dem „auch“ so alles stattgefunden haben kann, oder auch nicht. Und mütterlicherseits schießen die feuchten Jagdgründe Suffolks und das Dach der Welt dazu, dort, wo das Sein sich als lang gedehntes Ooommm artikuliert, als Abschied vom irdischen Wollen, als Einfügung des Seins in die Schöpfung, als großes Einverstandensein. Da haben Sies: Ich bin eine Promenadenmischung, wie sie im Buche steht. Hüten und Jagen liegen mir durch Vater und Mutter gleichermaßen. So begebe ich mich auf meine Wege durch die laute Stadt, durch ihre Düfte, durch ihre Unaufgeräumtheit. Weiterlesen
Achtsam
Nun leben wir schon über drei Jahre zusammen. Lola beobachtet mich, ich sie. Am Morgen sind es die fast ewig gleichen Routinen. Erst bereite ich mein Müsli zu, die Cafetière beginnt auf dem Gasherd zu fauchen. Lolas Fressnapf ist schon gefüllt (zur Zeit mit Reis, Apfelschalen und einem Nassfutter aus der Dose). Ich stelle ihn auf den Fressplatz, gieße den Espresso ein und nun, als ich das Müsli von der Arbeitsplatte auf den Küchentisch stelle, kommt der tägliche Augenblick, der mir das Herz weitet, weil der Hund so quer zwischen Tisch und Fressnapf steht, dass ich, ohne sie zu schieben, mich nicht hinsetzen könnte. Sie aber, während sie weiter wölfisch ihr Futter verschlingt, weicht mit dem Rumpf so zur Seite, dass ich auf meinen Platz gelange, ohne sie schieben zu müssen. Es bedarf keines Blickes, keines Wortes, keiner Geste, um sie zum Vollzug dieser Routine zu ermahnen, nein, sie hat es zu einer achtsamen Choreographie gebracht, um das Allerheiligste für den Hund, das Fressen, nicht unterbrechen zu müssen, mir aber zugleich Platz machen zu können.
Hitze
Lola nun aber scheint entschlossen, in ihren Rhythmen der hündischen Bizyklizität zu folgen und ist daher dieses Jahr erstmals zum zweiten Mal läufig. Der Beginn ist meiner Aufmerksamkeit entgangen, weil sie, nun fast erwachsen mit dreieinhalb Jahren, umsichtig Spuren auf- und wegleckt. Erst als die Spuren überhand nahmen, wurde ich darauf aufmerksam, dass ich nun eine Weile genauer bei unseren Spaziergängen aufpassen muss. Die ersten beiden Wochen lief das problemlos. Sie jagte weiterhin Eichhörnchen und Kaninchen und hetzte ihrem Spielball hinterher. Es gab auch ein erstes Raureiferlebnis, bei welchem die Wolken über dem Gleisdreieckpark wie ein Vorgebirge aussahen. Erst als die Rüden ihres Vertrauens begannen, bei ihrem Anblick schrille Schreie auszustoßen, war ich gewarnt, sie nicht mehr von der Leine zu lassen. Denn zuvor war ein stiller Kamerad von ihr auf der Wiese zu einem höfischen Bespringzeremoniell aufgefordert worden, dem er sich nur deshalb nicht mit Inbrunst widmen konnte, weil seine lichte Höhe nur für die Begattung von Lolas Kniekehlen gereicht hätte. Auf die Idee, sich für den Kleinen hinzulegen, kam Lola nicht.
Nun begleiten uns tägliche Solo- und Tuttichöre, auf die Lola mit einem Winseln respondiert, das herzzereißende Sehnsucht bezeugt. Zur Ausstellung ihres Zustandes greift sie zu einer Zeremonie, die Rüden auch von ferne informiert. Erst richtet sie die Rute auf wie einen Flaggenpfahl. Wenn dieses befellte Ausrufezeichen als Signal verstanden wird, senkt sie es in einem rechten Winkel zur Seite. Nun ist die Schussbahn freigegeben, obschon sie noch an der Leine ist und von mir unmissverständlich dazu aufgefordert wird, sich zu setzen. Von allen Seiten erschallen die Schreie der Rüden und werden uns noch weitere Tage begleiten. Manche reißen sich los. Einer von ihnen heulte in der letzten Nacht vor der Haustür.
Das Leben mit Hund (ctd)
Lola ist in der heißen Phase ihrer dritten Läufigkeit. Hatte ich früher gelegentlich bemerkt, Hunde seien Katasterämter auf Streife, konnte ich gestern im Hundesauslauf eine weitere Beobachtung machen, wie das Markieren eine spielerische Choreographie inszeniert. Wir trafen Lolas Freundin Wilma, eine Großpudeldame von erheblichem Temperament, im Vergleich zu Lola ein Leichtgewicht. Die beiden hatten sich, von einer Episode auf der Potsdamer Straße abgesehen, seit längerem nicht gesehen. Früher konnte es vorkommen, dass Begegnungen nach der Choreographie von Italowestern abliefen, als führte Sergio Leone Regie. Beide legen sich in äußerster Spannung nieder, warten ab, wer zuerst zuckt und dann stürmen sie aufeinander los. Gestern saßen wir auf einer Bank des Hundeauslaufs, als Lola mit einem leichten Hopser, ausgelöst durch die Vorderläufe, in die Hocke ging und eine klitzekleine Portion Urins abgab. Ihrer Vorlage folgte Wilma, indem sie exakt auf die gleiche Stelle und in der gleichen Haltung etwas darauf setzte, und nun wiederum überstrahlte Frollein Lola die Spur, was daraufhin Wilma zur Wiederholung nötigte, und das Spiel des Markierens und Übertünchens endete erst, als beide jeweils drei Mal geliefert hatten. Wer dabei Regie führte, ist egal. Die beiden Damen inszenierten ein Ritual. Hier ein Bild von Lola aus dem letzten Frühling, als ihr Comte Griffon nachstellte.
Das hässliche Entlein, hündisch auf den Kopf gestellt
Beim Spaziergang mit Lola ist mir heute Mittag aufgefallen, wie sanft und geradezu unspürbar sie an der Leine knapp hinter mir herläuft, dass mich auf dem Nachhauseweg plötzlich ein namenloser Schrecken darüber befiel, der Anblick dieses beidseitigen Schwebezustandes könnte von Bösewichten missbraucht und so ausgenutzt werden, dass sie unbemerkt Lola von der Leine lösten und einen stinkenden ranzigen zahnlosen missmutigen hässlichen alten Rüden an ihrer Stelle anleinten. Der Schrecken, den diese Idee auslöste, war so maßlos, dass ich nicht wagte, mich umzudrehen, bis wir das Haus erreichten und mir zu meiner größten Erleichterung klar wurde, dass Lola mich tatsächlich nach Hause begleitet hatte.
Aufwachen
Nun gehört es zu den täglichen Routinen des Lebens mit Hund, am frühen Morgen, dieser Tage wirklich früh, durch die Straßen an vielen geöffneten Fenstern vorbeizulaufen, und heute fiel mir auf, dass der Klang der Wecker monoton geworden ist, als gäbe es nur noch den einen, der sich nicht durch das Schepperschrillen der alten Blechkameraden, sondern durch ein fast kardiologisches Fiepen auszeichnet, das die meisten nicht von allein aufwachenden Menschen in Intervalleinstellung über sich ergehen lassen, ohne beim ersten (oder xten) Mal aus den Federn zu springen. Was hätte Jacques Tati daraus gemacht oder Claude Faraldo? Es defibrilliert auf hunderten von Metern, als spräche daraus insgeheime Sehnsucht nach mächtigen Sirenen.
Rettet die Mauer!
Wenn ich mich richtig erinnere, entstand dieses Fake-Interview für Radio 100 im Herbst 1988 nach einer Erklärung des AL-Abgeordneten Dirk Schneider. Ich erfand eine Bürgerinitiative unter dem Vorsitz von Prinz Louis Ferdinand von Preußen und phantasierte, dass das Paul Getty-Museum der DDR ein Kaufangebot für die Mauer unterbreitet hatte, weil die Kuratoren die ersten Bilder der Berliner wilden Maler nach Kalifornien holen wollten. Weiterlesen
Amrum. Arbeitstagebuch 1
Ich reise an einen Ort meiner Kindheit. Die Fahrt dauert etwas über sieben Stunden. Bus, Bahn, Bahn, Bus, Schiff, Bus. Die Erinnerung springt zurück in den Sommer 1964. An die große erste unerklärte Liebe. B., die herbe Reiterin, der ich im Weißdornbusch von dem elenden Tod unserer Hündin erzählte, für die ich plötzlich ganze Stücke auswendig spielen konnte, die ich vorher nur vom Blatt gespielt hatte. Vom Hüttenbauen in der Burg (dafür mussten die Kinder in den Treibholzhütten auch ihren Mittagsschlaf halten). Vom nächtlichen Krabbenpulen. Von den Robinsontagen in der Heide, wo wir Pfifferlinge und Blaubeeren sammelten und immer mal wieder eines der zahllosen Kaninchen mit einer Prise Salz zu fangen versuchten. Vom Akrillspiel in den Riesendünen. Die unblutigsten Geiselbefreiungen der Weltgeschichte. Weiterlesen
Frohe Weihnachten!
W. (den wir früher Wuffwuff nannten), Tuli, der auf dem Weg zur großen Reportage noch viele Herausforderungen zu meistern hat, und die Hunde Zara, Anti, Moni, Dio und Luzi wünschen zusammen mit Josefina Capelle und Hans Hütt Frohe Weihnachten aus der nur für unsere Leserinnen und Leser verschneiten Hasenheide.