„In meinem Ergebnisfenster haben sich sozusagen Schlieren gebildet.“ Vor kurzem stieß ich zum ersten Mal auf das Wort. Jemand beschrieb die Prozedur eines Sars-CoV-2- Selbsttests, der offenbar gewisse Ähnlichkeit mit Schwangerschaftstests hat.
Richtig und wichtig
Kaum etwas finde ich so grauenvoll und nichtssagend wie diese Formulierung, die seit geraumer Zeit Bedeutung beansprucht, aber über die Autosuggestion nicht hinauskommt. Aber wer kann sich schon selbst hypnotisieren? Was in den letzten Monaten alles als „wichtig und richtig“ galt:
Streiten
Hochschulen in die Politik einbringen
Selbsttests
Apotheker
Virusvariationsgebiet
Erst hieß es „Mutationsgebiet“. Damit schien klar, dass dort etwas passiert, was besser nicht passierte. Wenn es sich um ein abgrenzbares Gebiet handelte, dann, so die in dem Wort geborgene Hoffnung, ließe sich eingrenzen, was von dort seinen Ausgang nehmen könnte. Das war schon Blödsinn in der Sekunde, in welcher das Mutationsgebiet in die deutsche Sprache fand. Es geschah erst vor...
Das Menschenmögliche
Angesprochen auf die Vorhersage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der frühen Phase der Pandemie, dass man sich später einiges zu verzeihen haben werde, und gefragt, ob sie bei der Impfstoffbestellung etwas falsch gemacht habe und sich bei den Deutschen entschuldigen müsse, sagte Merkel: „Jeden Tag macht niemand hundert Prozent alles richtig.“ Dann aber sagte sie, bei der...
Wort der Woche – mein neues Projekt
Wir befinden uns in einer beispiellosen Krise. Ob und wie wir aus der Krise herausfinden, hängt auch davon ab, wie wir darüber reden. Offen, klar, nachvollziehbar, begründet, bitte auch spielerisch. In den letzten drei Jahren habe ich fünf Bücher für den Dudenverlag geschrieben. Damit habe ich eine lang gehegte Sehnsucht in die Tat umgesetzt: über Wörter nachzudenken und zu schreiben, mit Freude...
Spiel mit Wörtern
Im frühen Jahr 2018 erreichte mich aus heiterstem Himmel eine Anfrage des Dudenverlags. Ob ich mir vorstellen könnte, zu Wörtern aus vier Jahrzehnten vier Büchlein zu schreiben. Klar konnte ich mir das vorstellen. Es juckte mir quasi schon in den Fingern. Auf die Dauer ist das Schreiben von Talkshowkritiken nicht abendfüllend. Schnell einigten wir uns über einen schönen Vertragsrahmen, nachdem...
Nun kommt etwas Neues ins Spiel
In dieser Woche beginne ich mit einem Projekt, über das ich schon nachgedacht haben könnte, als es all das Gedöns von Facebook, Twitter, Instagram und Tinderätätä noch nicht gegeben hat. Damals hatte ich über Weihnachten mit meiner kleinen Schwester und einem guten Freund erst Gans gegessen, dann einen langen Spaziergang am Niederrhein gemacht. Danach lieferte ich drei Probetexte nach München und...
Achtsam
Nun leben wir schon über drei Jahre zusammen. Lola beobachtet mich, ich sie. Am Morgen sind es die fast ewig gleichen Routinen. Erst bereite ich mein Müsli zu, die Cafetière beginnt auf dem Gasherd zu fauchen. Lolas Fressnapf ist schon gefüllt (zur Zeit mit Reis, Apfelschalen und einem Nassfutter aus der Dose). Ich stelle ihn auf den Fressplatz, gieße den Espresso ein und nun, als ich das Müsli...
Vergleichende Studien
In meiner Jugend hatten mein Bruder Michael und ich im Arbeitszimmer unseres Vaters ein Spiel ersonnen, indem wir mit den zwei Telefonen zwei unbekannte Nummern anriefen und dann die Hörer so gegeneinander hielten, dass wir dabei zuhören konnten, wie die beiden Angerufenen sich aus der Affäre redeten: wer wen angerufen hatte usw. Wir hielten uns zurück. Nur einmal stach uns der Hafer und wir...
Hoffnung auf den Autopilot
Sitzen eine Ethikerin, ein Ministerpräsident, ein Epidemiologe, ein Virologe und die Pandemiebeauftragte eines Landkreises zusammen, dann befinden sie sich gewiss in einer Talkshow, an diesem Abend bei Maybrit Illner.
Hitze
Lola nun aber scheint entschlossen, in ihren Rhythmen der hündischen Bizyklizität zu folgen und ist daher dieses Jahr erstmals zum zweiten Mal läufig. Der Beginn ist meiner Aufmerksamkeit entgangen, weil sie, nun fast erwachsen mit dreieinhalb Jahren, umsichtig Spuren auf- und wegleckt. Erst als die Spuren überhand nahmen, wurde ich darauf aufmerksam, dass ich nun eine Weile genauer bei unseren...
Midas und Pygmalion
Kürzlich erinnerte ich mich daran, dass ich im Sommer 2013 zwei Metamorphosen des Ovid – sozusagen – weitergeschrieben habe: die Geschichten von Midas und Pygmalion.
Wilde Jahre, kühne Träume
Seit heute (12. Oktober 2020) ist mein neues Buch „Wilde Jahre, kühne Träume“ im Buchhandel erhältlich. In ihm untersuche ich Verbindungen zwischen Substantiven und Adjektiven wie zum Beispiel wilde Jahre, bewaffnete Männer, junge Frauen, schlechtes Gewissen. Am 16. Oktober sendete das zweite Radioprogramm des Bayerischen Rundfunks in der Sendung „Sozusagen!“ ein erstes...
Wörter aus vier Jahrzehnten
Im März 2019 kamen die ersten beiden Bände einer kleinen Buchreihe heraus, die ich für den Dudenverlag schrieb. Es geht um Wörter aus den 50er und 60er Jahren. Im Herbst 2019 folgten die Bände zu den 70er und 80er Jahren. Ein seltsames Schreiberlebnis, in die eigene Kindheit, Adoleszenz und das frühe Erwachsensein einzutauchen und der Mischung aus Fremdheit und Vertrautheit nachzugehen. Zu jedem...
Kanalarbeiter
Ich gehöre nicht zu den weinerlichen Menschen. Heute war der Termin für die zahnärztliche Ausschachtung der Wurzelkanäle, die vor fünf Jahren, wie ich damals geglaubt hatte, auf Dauer zahnärztlich versorgt worden waren. Gloßel Illtum! Im Unterschied zum damaligen Zahnarzt ist der jetzige auf sympathische Weise maulfaul, er sagt, außer den Anweisungen an die Helferin, fast nichts. Das war...
Das Leben mit Hund (ctd)
Lola ist in der heißen Phase ihrer dritten Läufigkeit. Hatte ich früher gelegentlich bemerkt, Hunde seien Katasterämter auf Streife, konnte ich gestern im Hundesauslauf eine weitere Beobachtung machen, wie das Markieren eine spielerische Choreographie inszeniert. Wir trafen Lolas Freundin Wilma, eine Großpudeldame von erheblichem Temperament, im Vergleich zu Lola ein Leichtgewicht. Die beiden...
Das hässliche Entlein, hündisch auf den Kopf gestellt
Beim Spaziergang mit Lola ist mir heute Mittag aufgefallen, wie sanft und geradezu unspürbar sie an der Leine knapp hinter mir herläuft, dass mich auf dem Nachhauseweg plötzlich ein namenloser Schrecken darüber befiel, der Anblick dieses beidseitigen Schwebezustandes könnte von Bösewichten missbraucht und so ausgenutzt werden, dass sie unbemerkt Lola von der Leine lösten und einen stinkenden...
Helga Paris
Ich nahm mir drei Tage hundefrei. Wenn ich Lola leise den Namen ihrer Hüterin sage, weiß sie, dass sie einen Ausflug zu ihrem Teilzeit-Rudel unternimmt. Sie springt dann vor Freude an mir hoch, weil sie einige Tage namenloser Abenteuer vor sich weiß.
Aufwachen
Nun gehört es zu den täglichen Routinen des Lebens mit Hund, am frühen Morgen, dieser Tage wirklich früh, durch die Straßen an vielen geöffneten Fenstern vorbeizulaufen, und heute fiel mir auf, dass der Klang der Wecker monoton geworden ist, als gäbe es nur noch den einen, der sich nicht durch das Schepperschrillen der alten Blechkameraden, sondern durch ein fast kardiologisches Fiepen...
Ein Dilemma: warum Framing ein Etikettenschwindel ist
Zunächst eine Offenlegung. Sie führt zurück in den Spätsommer des Jahres 2013. Michael Stognienko von der Böll-Stiftung hatte mich zu einem Termin eingeladen, bei dem Elisabeth Wehling den versammelten Wahlkämpfern der Grünen, der Linken und der Sozialdemokraten ihre Methode vorstellte. Sie war im Begriff, ihr Beratungsangebot, entwickelt und erprobt in den USA, nun in Europa auszurollen. Der...