Kategorieaggiornamento

Archiv

Angst vor der Gleichheit (Kurzfassung)

A

Ein Fanal Am Montag veröffentlicht er auf seinem Blog ein Abschiedsmanifest. Am Dienstagnachmittag geht er in den für Besucher um diese Zeit gesperrten Chor von Notre-Dame, legt den Abschiedsbrief auf den Altar und erschießt sich. Dominique Venner, der Theoretiker der französischen Rechtsradikalen, setzt damit ein Fanal, nur wenige Tage vor der nächsten Großkundgebung am darauf folgenden Sonntag...

Michael-Althen-Preis 2014

M

Ich war schon sehr verblüfft, als ich gestern Nachmittag von Claudius Seidl die Nachricht erhielt, dass ich den diesjährigen Michael-Althen-Preis der FAZ erhalte. In der Shortlist wirkte ich wie ein absoluter Außenseiter, was einem Text über Außenseiter als Resonanzkörper gut zu Gesicht steht. Natürlich fühle ich mich auch geehrt, ja, sogar sehr geehrt. Als mir Claudius Seidl dann den Ablauf der...

Distanz als Lernprozess

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Für Jung & Naiv habe ich in drei Wochen 23 Folge in Israel und Palästina produziert. Wir haben viele Stimmen und Positionen zum Konflikt hörbar gemacht, die ein anderes Bild davon vermitteln, worum es in dem Krieg tatsächlich geht. Diesen journalistischen Ertrag will ich durch Martin Lejeune nicht kompromittieren. Ich lasse die Folge mit ihm in meinem YouTube-Kanal stehen. Aber ich mache auch...

Angst vor der Gleichheit

A

Die Angst vor der Gleichheit nimmt ihre aggressiven Impulse aus verweigerter Freiheit. Denn wenn wir die Differenzen verkörpern, wenn unsere Sehnsucht nach Autonomie den anderen Angst einflößt, dann liegt das auch daran, dass wir in jedem Augenblick unseres Lebens die Idee der Freiheit verkörpern. Wir haben uns die Freiheit genommen, Differenzen sichtbar zu machen. Wir zeigen, dass Freiheit...

Instant biographer

I

Im Unterschied zu Pulverkaffee ist die Arbeit einer Nachrufautorin, zumal dann, wenn sie für die letzte Seite des Economist schreibt, für die Nachwelt voller Wunder. Routinen, mithin also auch die Wechselfälle eines schlecht gewählten Todeszeitpunkts, entscheiden darüber, welcher liebe Tote es ins Blatt schafft. Das entscheidet man montags. Dienstags wird poliert. Ich versuche mir vorzustellen...

Verlustanzeige

V

Um sich herum hatte er ein weltweites Netzwerk feinster Verknüpfungen ins Leben gerufen, das wie eine Galaxie mit ihm als jungem Braunen Zwerg verstanden werden könnte, kein Zentralgestirn mit geordneten Umlaufbahnen, kein Trabant, sondern eine verkörperte Fusionsenergie, die ihn buchstäblich nährte.

Die Ikonographie der Schutzweste

D

Es geht um das Überleben, um Leben und Tod. Auf diesen Sachverhalt lenken uns die Westen des Staatspersonals an Bord. Nur die Kanzlerin hat – Ton in Ton – darauf geachtet, dass die Weste sich in ihr habitualisiertes Gleichgewicht fügt, wenngleich der Farbton zwischen Oliv, Petrol und Schlamm auf einen Jenseits-Zustand verweist, auf das Ziel einer Tarnung, die in dem Augenblick auffliegt, in dem...

Die Macht des Vergessens

D

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über das Recht darauf, vergessen zu werden, hat Bewegung ins Spiel gebracht. Das Vergessen gehört aus eigenem Recht und als anthropologische Errungenschaft zu den schönsten, ja unvergesslichen Gaben der Welt. Mir scheint es wirkmächtiger als das Gedächtnis, von dem wir seit Proust wissen, was davon zu halten ist: Es ist meistens nichts als Lug und Trug...

Der Wanderfalke als Metapher

D

Der Falke ist Späher und Greifer. Das ist der Ausgangspunkt dafür, über die Kulturtechnik des Spähens nachzudenken. Es gibt in so beglückenden Fällen des Lesens eine mitlaufende luzide oder auch mild paranoide Leseerfahrung. Ich verstehe sie als Versuch, Bilder als Übersetzungshilfe zu benutzen. So ging es mir gestern, als ich las, wie Baker den Sehsinn des Falkens beschrieb. Der Wanderfalke...

Jenseits der Welt

J

„Dem Schiffsnamen gab der Eigentümer der Reederei eine eigenwillige Bedeutung, indem er ihm zwei chinesische Zeichen zugrunde legte, die zusammen „Jenseits der Welt“ bedeuten. Der Name „Sewol“ stand aber auf dem Schiff auf Koreanisch, so dass niemand auf diese Bedeutung gekommen wäre. Im Koreanischen hat „Sewol“ eine andere Bedeutung. Das Wort lässt sich schwer ins Deutsche übersetzen. Es...

Schutz unterirdischer Leitungen

S

Wladimir Sorokin erzählt in der neuen Ausgabe der New York Review of Books von den Tagen des Putschs gegen Gorbatschow im August 1991. Die aufgebrachten Bürger Moskaus auf dem Lubjanskaja Platz vor dem Hauptquartier des KGB schienen entschlossen, das Standbild Feliks Dzierżyńskis zu stürzen. Die Schlinge hing ihm schon um den Hals, als ein Abgesandter Boris Jelzins auftauchte und die Bürger um...

Zur politischen Kultur des Neobiedermeiers

Z

Absolute Macht wird durch absolute Unterwerfung unter ihre Opportunitäten vorauseilend legitimiert. Egal, was oder wer darüber auf der Strecke bleibt. Die Willkür, heute durch beliebige Manipulationen bezeug- oder belegbare Kompromate in Verkehr zu bringen (ganz zu schweigen von der Insuffizienz digitaler Beweisführung) betrachte ich unter diesem Blickwinkel als Symptom für einen sich von Normen...

Der Abklatsch einer Singularität

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Symbolisch warf Wolfgang Schäuble sich auf zum Inhaber der obersten Befehlsgewalt auch über die Kollegen, und zugleich erniedrigte er sich selbst zu einem Vollzugsbeamten, der in der Regel während eines ganzen Dienstlebens nie auch nur in die Nähe eines Ministers gelangen würde. Wolfgang Schäuble hat in dieser Nacht die Legende der deutschen Rolle eines Garanten für den Euro bekräftigt und...

Die Stadt und der Tod

D

Auf dem Weg von der Grand Central Station zum Columbus Circle. Ende März. New York ist in diesen Tagen warm und sonnig. Überall blühen die Zierbirnen, um sie der bittere Geruch in der Luft. Im Village heißen sie Cum Trees. Taxis werben für die Ausstellung „Real Human Bodies“. Lebensechte Tote. Alle paar Meter steckt zwischen den Coffeeshops und Imbissläden ein kleiner Kosmetik- oder Nagelsalon...

Galgenhumor

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Wir befinden uns in der zehnten Woche von Barack Obamas Präsidentschaft. Heute wird Finanzminister Geithner seinen Plan vorstellen, wie die toxischen Papiere aus den Bilanzen der Banken verschwinden. Über die bisher bekannten Details urteilt Nobelpreisträger Paul Krugman vernichtend. Geithners Plan sei die Neuauflage einer Idee seines Vorgängers Paulson. Der Fehler liege in der Annahme, dass die...