Instant biographer

I

Im Unterschied zu Pulverkaffee ist die Arbeit einer Nachrufautorin, zumal dann, wenn sie für die letzte Seite des Economist schreibt, für die Nachwelt voller Wunder.

Routinen, mithin also auch die Wechselfälle eines schlecht gewählten Todeszeitpunkts, entscheiden darüber, welcher liebe Tote es ins Blatt schafft. Das entscheidet man montags. Dienstags wird poliert. Ich versuche mir vorzustellen, welcher Reiz für einen Autor wie Rüdiger Safranski darin läge, in zwei Tagen zu schreiben, wofür er sonst Jahre braucht, welche ungeheure Erleichterung darin läge, wie mit einem Federmesser wegzuschneiden, was den klaren letzten Blick auf die verstorbene Person trüben könnte. Nicht 752 Seiten, wie über Goethe, sondern maximal  5.200 Zeichen, nicht Jahre über Jahre, sondern ein Tag, eine Nacht und noch einen halben Tag. Dann kannst Du Dich von diesem Tod erholen und den nächsten auf Dich zukommen lassen.

Aber der Autorin steht jede Option offen, etwa wenn sie den Nachruf auf Englands berühmteste Karpfin anstimmt. Natürlich ist es eine Legende, dass Nachrufe auf mutmaßlich bald Sterbende fertig vorbereitet irgendwo gespeichert darauf warten, nur noch à jour gebracht zu werden. Meistens merkt man das an der öden Routine der Texte, dass ihnen selbst das Leben fehlt, über dessen Verlust sie zu schreiben vorgeben.

Das nil nise bene käme ihr als Maxime nicht in den Sinn, weil der darauf gerichtet ist, etwas Wesentliches in den Blick zu rücken, einen Augenblick der Wahrheit einer Person zu erfassen, wie in ihrem Nachruf auf Aaron Swartz, das Drängende seiner aktivistischen Prosa. Anders als die Pathologen oder Forensiker, die die Leiche aufschneiden, um einen Grund für das Ableben herauszufinden, stellt die Nachrufautorin das Leben der Dahingegangenen vor das Blitzlicht einer Seite ihres Blatts, um etwas Wesentliches zu erfassen.

Darüber kann sie alt und weise werden.

Die Selbstauskunft eines Trauerredners über sein Geschäft bezeugt: Es ist kein leichtes. Aber es tröstet. So wird es auch gerade jetzt einem anderen Autor gehen, der sich auf die Trauerrede vorbereitet, die er am Sonntag halten wird.

Eine gute Hand beim Abschiedsgruß für den Freund!