Heute erscheint bei den Krautreportern der Prolog zur Graphic Novel Kynästhesie von Josefina Capelle und Hans Hütt. Das erklärt vielleicht auch, warum das Bloggen hier etwas rar geworden ist. Gestern erreichte mich die sehr ehrende Einladung zu einem Essay, über den ich anfang Januar nächsten Jahres mehr mitteilen kann. Endlich hüpfe ich nun wieder geheilt durch die Welt, statt wie die letzten...
Angst vor der Gleichheit (Kurzfassung)
Ein Fanal Am Montag veröffentlicht er auf seinem Blog ein Abschiedsmanifest. Am Dienstagnachmittag geht er in den für Besucher um diese Zeit gesperrten Chor von Notre-Dame, legt den Abschiedsbrief auf den Altar und erschießt sich. Dominique Venner, der Theoretiker der französischen Rechtsradikalen, setzt damit ein Fanal, nur wenige Tage vor der nächsten Großkundgebung am darauf folgenden Sonntag...
Michael-Althen-Preis 2014
Ich war schon sehr verblüfft, als ich gestern Nachmittag von Claudius Seidl die Nachricht erhielt, dass ich den diesjährigen Michael-Althen-Preis der FAZ erhalte. In der Shortlist wirkte ich wie ein absoluter Außenseiter, was einem Text über Außenseiter als Resonanzkörper gut zu Gesicht steht. Natürlich fühle ich mich auch geehrt, ja, sogar sehr geehrt. Als mir Claudius Seidl dann den Ablauf der...
Weddings and Beheadings
Der Text ist von Hanif Kureishi. Er könnte nicht prägnanter davon erzählen, wie der Terror im Alltag eines Filmemachers heimisch wird.
Distanz als Lernprozess
Für Jung & Naiv habe ich in drei Wochen 23 Folge in Israel und Palästina produziert. Wir haben viele Stimmen und Positionen zum Konflikt hörbar gemacht, die ein anderes Bild davon vermitteln, worum es in dem Krieg tatsächlich geht. Diesen journalistischen Ertrag will ich durch Martin Lejeune nicht kompromittieren. Ich lasse die Folge mit ihm in meinem YouTube-Kanal stehen. Aber ich mache auch...
Angst vor der Gleichheit
Die Angst vor der Gleichheit nimmt ihre aggressiven Impulse aus verweigerter Freiheit. Denn wenn wir die Differenzen verkörpern, wenn unsere Sehnsucht nach Autonomie den anderen Angst einflößt, dann liegt das auch daran, dass wir in jedem Augenblick unseres Lebens die Idee der Freiheit verkörpern. Wir haben uns die Freiheit genommen, Differenzen sichtbar zu machen. Wir zeigen, dass Freiheit...
Instant biographer
Im Unterschied zu Pulverkaffee ist die Arbeit einer Nachrufautorin, zumal dann, wenn sie für die letzte Seite des Economist schreibt, für die Nachwelt voller Wunder. Routinen, mithin also auch die Wechselfälle eines schlecht gewählten Todeszeitpunkts, entscheiden darüber, welcher liebe Tote es ins Blatt schafft. Das entscheidet man montags. Dienstags wird poliert. Ich versuche mir vorzustellen...
Verlustanzeige
Um sich herum hatte er ein weltweites Netzwerk feinster Verknüpfungen ins Leben gerufen, das wie eine Galaxie mit ihm als jungem Braunen Zwerg verstanden werden könnte, kein Zentralgestirn mit geordneten Umlaufbahnen, kein Trabant, sondern eine verkörperte Fusionsenergie, die ihn buchstäblich nährte.
Die Ikonographie der Schutzweste
Es geht um das Überleben, um Leben und Tod. Auf diesen Sachverhalt lenken uns die Westen des Staatspersonals an Bord. Nur die Kanzlerin hat – Ton in Ton – darauf geachtet, dass die Weste sich in ihr habitualisiertes Gleichgewicht fügt, wenngleich der Farbton zwischen Oliv, Petrol und Schlamm auf einen Jenseits-Zustand verweist, auf das Ziel einer Tarnung, die in dem Augenblick auffliegt, in dem...
Höchste Eisenbahn
als wollten sie hinter den Habeas Corpus Act zurückfallen, als wollten sie dem Sinn Fesseln anlegen
Regelbruch als Versprechen. Anmerkungen zu Jung & Naiv
Der folgende Beitrag ist eine kleine Kostprobe auf einen Essay, den ich für einen von Günter Bentele und Felix Krebber bei Springer VS herausgegebenen Sammelband geschrieben habe. Das Buch erscheint im Spätsommer 2014. Ich habe zur Illustration den Beitrag um die jüngste Folge von Jung & Naiv ergänzt, Tilo Jungs Gespräch mit Glenn Greenwald. Ich empfehle besonders den Schluss, an dem Tilo mit...
Die Macht des Vergessens
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über das Recht darauf, vergessen zu werden, hat Bewegung ins Spiel gebracht. Das Vergessen gehört aus eigenem Recht und als anthropologische Errungenschaft zu den schönsten, ja unvergesslichen Gaben der Welt. Mir scheint es wirkmächtiger als das Gedächtnis, von dem wir seit Proust wissen, was davon zu halten ist: Es ist meistens nichts als Lug und Trug...
„Ich bin doch nur kurz etwas essen gegangen.“ Eine Zugnovelle
Die Aufregung des Fahrgastes versteht er nicht. Seine Mimik wirkt unbeirrbar, als wollte er einwenden: "Aber ich habe doch sofortigen Vollzug angeordnet."
Der Wanderfalke als Metapher
Der Falke ist Späher und Greifer. Das ist der Ausgangspunkt dafür, über die Kulturtechnik des Spähens nachzudenken. Es gibt in so beglückenden Fällen des Lesens eine mitlaufende luzide oder auch mild paranoide Leseerfahrung. Ich verstehe sie als Versuch, Bilder als Übersetzungshilfe zu benutzen. So ging es mir gestern, als ich las, wie Baker den Sehsinn des Falkens beschrieb. Der Wanderfalke...
Jenseits der Welt
„Dem Schiffsnamen gab der Eigentümer der Reederei eine eigenwillige Bedeutung, indem er ihm zwei chinesische Zeichen zugrunde legte, die zusammen „Jenseits der Welt“ bedeuten. Der Name „Sewol“ stand aber auf dem Schiff auf Koreanisch, so dass niemand auf diese Bedeutung gekommen wäre. Im Koreanischen hat „Sewol“ eine andere Bedeutung. Das Wort lässt sich schwer ins Deutsche übersetzen. Es...
Schutz unterirdischer Leitungen
Wladimir Sorokin erzählt in der neuen Ausgabe der New York Review of Books von den Tagen des Putschs gegen Gorbatschow im August 1991. Die aufgebrachten Bürger Moskaus auf dem Lubjanskaja Platz vor dem Hauptquartier des KGB schienen entschlossen, das Standbild Feliks Dzierżyńskis zu stürzen. Die Schlinge hing ihm schon um den Hals, als ein Abgesandter Boris Jelzins auftauchte und die Bürger um...
The Way Mommy Bear Eats a Swarm of Fire Ants
Eine erstaunliche Stimme aus dem totalen Abseits. Das ist Pariah-Poesie. Sie trifft dich wie ein Schlag aus dem Nichts in die Magengrube.
Mehr Licht – oder nicht?
Der stille Brüter, eine aus dem Blickwinkel der Kommunikationsgesellschaft unerfreuliche Figur, verwandelt sich in ein Sinnbild trübster Datenautonomie. Das kann es nicht gewesen sein. Vielleicht sprießen bald neue Gefäße, bilden sich andere Synapsen in der Rekonstitution individueller Autonomie.
Zur politischen Kultur des Neobiedermeiers
Absolute Macht wird durch absolute Unterwerfung unter ihre Opportunitäten vorauseilend legitimiert. Egal, was oder wer darüber auf der Strecke bleibt. Die Willkür, heute durch beliebige Manipulationen bezeug- oder belegbare Kompromate in Verkehr zu bringen (ganz zu schweigen von der Insuffizienz digitaler Beweisführung) betrachte ich unter diesem Blickwinkel als Symptom für einen sich von Normen...
Der Abklatsch einer Singularität
Symbolisch warf Wolfgang Schäuble sich auf zum Inhaber der obersten Befehlsgewalt auch über die Kollegen, und zugleich erniedrigte er sich selbst zu einem Vollzugsbeamten, der in der Regel während eines ganzen Dienstlebens nie auch nur in die Nähe eines Ministers gelangen würde. Wolfgang Schäuble hat in dieser Nacht die Legende der deutschen Rolle eines Garanten für den Euro bekräftigt und...