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Vorbemerkung:

Im Wahlkampf 2009 habe ich für das Handelsblatt eine wöchentliche Wahlkolumne geschrieben. Kürzlich ist mein damaliger Redakteur Martin Tofern gestorben. In dankbarer Erinnerung an diesen feinen und subtilen Ermöglicher werde ich in den kommenden Tagen diese kleine Reihe hier wieder zugänglich machen.

Wenn der Mann redet, lässt er gern offen, ob da noch die Großmutter oder schon der Wolf im Bett liegt.
Die Selbstkontrolle ist offenkundig, das Spiel mit den Ambivalenzen kalkuliert, die Pointen gesetzt. Der
bremische Bürgersohn pflegt sein temperiertes Wolfsbild. Für Konservative ist Jürgen Trittin der grüne
Gottseibeiuns. Er hat diesen Ruf erarbeitet. In der ihm entgegengebrachten Abneigung schwingt
respektvolle Anerkennung. In Bayern würde man ihn „oa Hund“ nennen, ohne Beleidigungsklagen
befürchten zu müssen.
Als Frank-Walter Steinmeier seinen Deutschlandplan vorstellt, ist Jürgen Trittin fix zur Stelle mit der
Schelte, der Sozialdemokrat betreibe Produktpiraterie, habe quasi bei den GRÜNEN abgeschrieben.
Herr Trittin ist später bei Interviews vorsichtiger und wiederholt diesen Vorwurf nicht. Aus gutem Grund.
Die GRÜNEN sind nicht Opfer einer Produktpiraterie, sondern eines politischen Erfolgs im Reich der
(deutschen) Mitte. Das copyright auf grüne Ideen einzuklagen, wirkt albern. Ihr „Mainstreaming“ hat
funktioniert. Kein Parteiprogramm verzichtet auf grünen Faden. Daraus ließen sich neue politische
Verbindungen knüpfen (schweigen wir von Schnittmengen). Aber so selbstversessen, wie die GRÜNEN
ihre Ideen mit copyright versehen, so selbstvergessen begrenzen sie ihre politischen Bündnisoptionen.
Die Paradoxie dieser Beobachtung: Die grünen Bürgerkinder scheuen ihre Herkunft wie ihre Zukunft.
Das sind die zwei Seiten einer Medaille.
In ihrem Wahlprogramm (das mit 224 Seiten bei weitem umfangreichste) plädieren sie für einen New
Green Deal und einen neuen Gesellschaftsvertrag, weil der bisherige gesellschaftliche Konsens
aufgekündigt worden sei. Hinter dem Horizont des langweiligen Wahlkampfes lauern harte
Entscheidungen, über die kein Wahlkämpfer spricht. Es könnte sein, dass die GRÜNEN mit ihrem
Befund dann richtig liegen.
Für einen in freiwilliger Übereinkunft zustande kommenden Vertrag brauchen sie aber Partner – und
Mehrheiten. Mit copyright-Vermerken bleiben sie bloß rechthaberische Opposition. Das ist bekanntlich
Mist.