Hitze

H

Lola nun aber scheint entschlossen, in ihren Rhythmen der hündischen Bizyklizität zu folgen und ist daher dieses Jahr erstmals zum zweiten Mal läufig. Der Beginn ist meiner Aufmerksamkeit entgangen, weil sie, nun fast erwachsen mit dreieinhalb Jahren, umsichtig Spuren auf- und wegleckt. Erst als die Spuren überhand nahmen, wurde ich darauf aufmerksam, dass ich nun eine Weile genauer bei unseren Spaziergängen aufpassen muss. Die ersten beiden Wochen lief das problemlos. Sie jagte weiterhin Eichhörnchen und Kaninchen und hetzte ihrem Spielball hinterher. Es gab auch ein erstes Raureiferlebnis, bei welchem die Wolken über dem Gleisdreieckpark wie ein Vorgebirge aussahen. Erst als die Rüden ihres Vertrauens begannen, bei ihrem Anblick schrille Schreie auszustoßen, war ich gewarnt, sie nicht mehr von der Leine zu lassen. Denn zuvor war ein stiller Kamerad von ihr auf der Wiese zu einem höfischen Bespringzeremoniell aufgefordert worden, dem er sich nur deshalb nicht mit Inbrunst widmen konnte, weil seine lichte Höhe nur für die Begattung von Lolas Kniekehlen gereicht hätte. Auf die Idee, sich für den Kleinen hinzulegen, kam Lola nicht.

Nun begleiten uns tägliche Solo- und Tuttichöre, auf die Lola mit einem Winseln respondiert, das herzzereißende Sehnsucht bezeugt. Zur Ausstellung ihres Zustandes greift sie zu einer Zeremonie, die Rüden auch von ferne informiert. Erst richtet sie die Rute auf wie einen Flaggenpfahl. Wenn dieses befellte Ausrufezeichen als Signal verstanden wird, senkt sie es in einem rechten Winkel zur Seite. Nun ist die Schussbahn freigegeben, obschon sie noch an der Leine ist und von mir unmissverständlich dazu aufgefordert wird, sich zu setzen. Von allen Seiten erschallen die Schreie der Rüden und werden uns noch weitere Tage begleiten. Manche reißen sich los. Einer von ihnen heulte in der letzten Nacht vor der Haustür.